Donnerstag, 14. August 2014 - Der Col du Parpaillon (2.632 m) ruft. Blick aus dem Fenster: Stahlblauer Himmel, recht kühl, aber wir sind ja auch knapp unterhalb des Col d´Allos auf ca. 1.500 m Höhe. Gerd ist etwas angeschlagen, wahrscheinlich ne Erkältung, der Hals tut weh und auch sonst fühlt er sich leider nicht so ganz wohl. Also die Frage: Machen wird den Parpaillon oder bummeln wir gemütlich durch die Gegend? Was vor einigenTagen noch undenkbar schien ist jetzt Realität: Keine Frage, wir machen den Trip.
Für Gerd und mich ist es das erste Mal, dass wir überhaupt so viel Schotter fahren - vorher waren wir eher die Strassenfahrer. Die diesjährige Tour ist für uns beide eine Offenbarung. Gerd, der vor einigen Tagen eher noch verhalten reagierte, als ich die Option "Parpaillon" einbrachte ist jetzt fest entschlossen, den Pass zu machen. Auch mir hilft seine Entschlossenheit, denn ein klares Ja hatte ich bis jetzt auch noch nicht. Aber wie so oft, wenn 2 sich einig sind, zieht jeder den anderen so ein wenig mit.
Schnell sind wir auf der Strasse, hoch zum Col d´Allos (2.240 m). Die Sonne sticht schon gut vom Himmel, die vielen Kehren hinauf zu Pass vergehen wie im Flug. Kein besonders schöner Pass, aber für uns der direkteste Weg rüber ins Ubaye-Tal nach Barcelonnette. Dort noch etwas Jause eingekauft, getankt und dann Richtung Abzweig zum Parpaillon in La Condamine-Châtelard. Vorbei an Jausiers zwängt sich die Strasse ins enge Tal und bald stehen wir an der kleinen Strasse, die links hoch zum Pass geht. Ein kleines Schild am Marktplatz signalisiert uns "Tunnel ouvert / open". Na ja, schon mal ne kleine Erleichterung.
Zunächst viele Kehren, der Asphalt ist gut, die Sonne brennt mittlerweile - uns ist gut warm. Im Gegensatz zu vielen Berichten und Filmen im Netz fahren wir den Pass anders herum - also von Ost nach West. Ziel ist also die Ebene von Embrun mit seinem riesigen Stausee. Es ist Donnerstag und wir wollen uns schon mal so langsam ich Richtung Heimat begeben, also passt es so am besten für uns. Hubert und Christian, die sich ja eine Woche stationär in der Nähe der Assietta aufhalten, werden den Pass entgegen gesetzt angehen. Sie haben 90 Minuten Anfahrt. Per FB haben wir uns verabredet - mal sehen, wo wir uns treffen.

Kleine Strasse hoch zum Pass - gleich beginnt der Schotter

Wissenwertes

Lauschige Kapelle - letzte Rast. Ab da Schotter.
Die Ostrampe ist im Vergleich zur Westrampe viel direkter, es geht gleich richtig hoch. Bald erreichen wir ein Hochtal, von dem aus die Piste in engen Kehren zum Pass hoch führt. Keiner von uns hält an, obwohl es faszinierende Blicke festzuhalten gibt. Jeder konzentriert sich auf sich und die Schotterpiste - nicht besonders schwer zu fahren, aber die Ausgesetztheit vermittelt einem das Gefühl, am Berg zu kleben. Nur nicht abrutschen. Wir überholen 2 SUVs, die langsam wie Schnecken die ganze Route blockieren. Die Fahrer scheinen unerfahren und machen gleich Platz. Wir werden sie oben am Eingang zum Tunnel wieder treffen.

Auf ca. 2.500 m der erste Halt - gewaltige Ausblicke

ohne Worte

Die letzten Meter vor dem Tunnel
Der Col du Parpaillon ist mit seinen 2.632 m zwar sehr hoch, doch das Gebirge, das er quert ist noch etwas höher. Daher wurde 1891 ein Durchstich dieses Bergmassives vorgenommen. Der heutige Scheiteltunnel scheint mit seinen 520 m Länge noch im Originalzustand zum Zeitpunkt der Erbauung zu sein. Wenn man drin ist, durchaus etwas schaurig.

Nichts für Klaustrophobiker - dunkel, glitschig, tiefe Wasserpassagen
Ich schaue Gerd an - was machen wir? Klar, weiter ... aber wenn wir auf Eis stoßen, dann kehren wir um. Zum Glück kommen uns einige Motorradfahrer entgegen, ihr Feedback lässt hoffen. Kein Eis, dafür aber tiefes Wasser. Na denn.

Der Eingang - wie erbaulich (Foto: Gerd Bechtold)
Gerd, der sich auf unserer Reise in Sachen Schotter bislang eher etwas zurück gehalten hat steigt auf seine GS und weg ist er. Rein ins Schwarze. Ich nach. Wir kommen gut voran, das Wasser am Eingang war jedoch nur ein Kinderspiel. Innen ist es stockdunkel, aber unsere LED-Haupt- und Zusatzscheinwerfer erhellen den Tunnel in einem Masse, dass wir uns sicher fühlen. Bald sehen wir weit hinten den Ausgang - sprichwörtlich das Licht am Ende des Tunnels. Welch eine Wohltat, denke ich, wie sehr doch das Licht uns Menschen ein Gefühl der Sicherheit gibt.
Dann wird´s eng: 2 Autos kommen uns entgegen ... nicht viel Platz zum Ausweichen, aber es reicht. Es muss die Tunnelmitte sein, als wir mehrere Wasserpfützen durchfahren, geht eigentlich ... doch dann sehe ich Gerd´s GS auf einige recht tiefe Wasserpassagen zufahren. Es spritzt gewaltig, als wolle die Maschine im Wasser versinken. Das war richtig tief. Wir reden viel miteinander ... alles gut, wir haben´s bald geschafft. Lenker ruhig halten, Gas stehen lassen und die Maschine unter uns den Bewegungen des losen Untergrunds folgen lassen. Im Stehen. Gegen Ende des Tunnels sehen wir Hubert und Christian im hellen Sonnenlicht in den Tunnel schauen. Gerd ruft nach ihnen, doch sie erkennen uns erst nicht. Als er bereits draußen ist, zieht Hubert seine Kamera hoch und erwischt mich, als ich aus dem Dunkel komme.

Geschafft! (Foto: Hubert Holzner)
Ging leichter, als gedacht. Aber wenn hier drinnen Eis ist - dann gute Nacht, Marie. Die Anfahrt hoch zum Pass war 17 km lang, davon bestimmt 12 km Schotter. Grob, steil und ohne Randbesfestigung. Gut, wenn man einigermassen sicher im Gelände fahren kann. Doch jetzt ist erst mal das Gröbste erledigt. Wir begrüßen die Jungs und freuen uns über das Wiedersehen.

Hubert und Gerd nach dem Tunnel

Der Tunnel kurz vor der Ausfahrt (Foto: Hubert Holzner)

Fertigmachen zur Weiterfahrt

Rechts die ca. 30 km lange Abfahrt runter nach Embrun
Bei der Abfahrt ist es wie bei der Auffahrt - wir fahren in einem Stück durch. Keine Fotos, sondern nur rollen, rollen, rollen. Traumhafte Landschaft, das nächste Mal mehr Fotos machen - versprochen. Unten im Tal von Embrun die nächste Wiese gesucht, Essen ausgepackt, Schatten gesucht, ne Stunde geschlafen.

Lac de Serre-Poncon, Europas größter künstlicher Stausee
Der Rest des Tages ist schnell erzählt: Nach dem Aufwachen sieht Gerd nicht gut aus. Matt, schlapp, oje ?!!! Wir entschließen uns, rüber nach Sauze D´Oulx in Italien zu fahren, dort wohnen auch Hubert und Christian. Die 100 km sind schnell geschafft, ein schönes Hotel gefunden und Gerd legt sich erst mal. Es ist 16 Uhr, die Jungs werden bald eintreffen. Noch wissen sie nichts von ihrem "Glück", uns in ihrer Nähe zu haben.
Abends treffen wir uns in einem schönen Restaurant, leckeres Essen - auch Gerd hat sich aufgerafft. Aber eins ist klar: er wird morgen in einem Rutsch heim fahren. Es geht einfach nicht mehr. Mein Angebot, Gerd zu begleiten, hat er lächelnd angelehnt. "Geht schon, Armin, vielen Dank!" So werde ich dann noch 1 weiteren Tag bleiben, um mit den Jungs die Gegend zu erkunden.

Ein schöner letzter Abend: v.l. Hubert, Gerd, Armin, Christian